Mega-Drogenprozess in Salzburg gestartet - Pizzeria in Bürmoos als Umschlagplatz

Am Landesgericht Salzburg hat heute ein umfangreicher Prozess wegen Handels von 13,8 Millionen Captagon-Aufputschtabletten mit einem mutmaßlichen Verkaufswert von rund 40 Millionen Euro begonnen. Die 14 Beschuldigten sollen Mitglieder einer internationalen Tätergruppe sein, die Drogen von Juni 2016 bis März 2021 aus dem Libanon nach Bürmoos (Flachgau) geschmuggelt hat.

Doch laut Verteidiger seien "keine einzige Tablette", kein Abnehmer und kein Bargeld gefunden worden.

Der Prozess wurde auf morgen, Mittwoch, vertagt.

Den Angeklagten wird Suchtgifthandel und das Verbrechen der kriminellen Organisation vorgeworfen. Es handelt es sich um elf Männer und drei Frauen im Alter von 27 bis 54. Sie stammen vorwiegend aus dem arabischen Raum beziehungsweise aus dem Libanon. Viele davon sind miteinander verwandt, arbeiten in der Gastronomie, sind unbescholten und haben teils hohe Schulden. Einige von ihnen wohnten vor ihrer Festnahme in Stadt und Land Salzburg.

Mehrere Angeklagte vor Gericht

Was die Staatsbürgerschaft betrifft, handelt es sich um sechs Österreicher, drei Syrer, einen Libanesen, einen Belgier, einen Deutschen, einen Türken und einen Ungarn. Ein Beschuldigter, der nicht in Untersuchungshaft ist, blieb der Verhandlung heute fern. Alle anderen Angeklagten befinden sich in Untersuchungshaft und wurden von Justizwachebeamten in den Prozesssaal begleitet.

Umschlagplatz in Bürmooser Pizzeria

Österreich spielte bei diesem Handel mit Captagonpillen - auch als "Dschihadisten-Droge" bekannt -, die unter das Suchtmittelgesetz fallen, offenbar die Rolle einer Zwischenstation. Umschlagplatz soll eine Pizzeria in Bürmoos gewesen sein. Das Captagon wurde den Ermittlungen zufolge im Libanon hergestellt und war für Saudi-Arabien bestimmt. Der Umweg über Europa erfolgte nur deshalb, weil Importe aus der EU in Saudi-Arabien offenbar deutlich weniger kontrolliert werden als die Wareneinfuhr aus dem Vorderen Orient.

Die Pillen waren in Hohlräumen von Rollen mit Plastikfolien versteckt. In jeder Rolle befanden sich bis zu 34.000 Stück Tabletten. Über eine Scheinfirma wurden die Drogen auf dem Seeweg nach Gent in Belgien geschifft, so die Staatsanwaltschaft. Von dort wurden sie mittels Speditionen nach Österreich gebracht und in Lager verteilt, wobei die Flachgauer Pizzeria eine zentrale Drehscheibe gebildet haben soll.

Versteckte Captagonpillen

Wie die Staatsanwältin heute erklärte, wurden die Suchtmittel in Industrie-Pizzaöfen, Waschmaschinen und anderen Elektrogeräten versteckt und so nach Saudi-Arabien verfrachtet. Das Lokal im Flachgau soll ein 28-jähriger Angeklagter betrieben haben. Sein 54-jähriger Vater war der Staatsanwaltschaft zufolge für die Lagerung, Umverpackung und Weitersendung der Drogen verantwortlich. Dabei sollen dem Erstangeklagten weitere Beschuldigte geholfen haben.

Von den angekauften Pizzaöfen sei die Isolierwolle entfernt worden, damit ein Hohlraum entstehe und dort die Tabletten verstaut werden konnten, schilderte die Staatsanwältin. Der Hohlraum sei mit Bleiplatten ausgelegt worden, damit diese die Drogen bei der Warenkontrolle vor den Röntgenstrahlen schützten. Auch Industriewäschetrockner seien für den Schmuggel verwendet worden. Damit das Gesamtgewicht des Gerätes auch nach der Befüllung mit den Captagonpillen unverändert blieb, sei der Stein, der zur Beschwerung des Gerätes diene, herausgenommen worden.

Erste Geständnisse abgelegt?

Als Chef der Drogenbande gilt ein 60-jähriger Libanese, der untergetaucht ist. Es dürfte sich derzeit in der Türkei aufhalten. Einige Beschuldigte sollen im Ermittlungsverfahren Geständnisse abgelegt haben, sodass die Ermittler zumindest drei große Drogenlieferungen nachweisen konnten, 25 bis 30 Tonnen Captagon-Tabletten sollen dabei ausgeliefert worden sein. Die Droge wirkt ähnlich aufputschend wie Amphetamin und war bereits öfters in Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen gebracht worden, da sie den Konsumenten auch furchtlos und unempfindlich gegen Schmerz erscheinen lässt. Die Nebenwirkungen können allerdings tödlich sein.

Wirbel um Dolmetscherin

Ein pikantes Detail hat für heftige Kritik seitens der Verteidigung gesorgt. Die Hauptdolmetscherin in dem Ermittlungsverfahren soll seit Juni 2019 mit dem Kronzeugen liiert gewesen sein. Die Anklage der Staatsanwaltschaft basiert zu einem Gutteil auf den Angaben des in Salzburg lebenden Irakers. Er soll eingeräumt haben, in die Drogengeschäfte involviert gewesen zu sein, und dafür im Vorfeld eine Diversion erhalten haben. Die nicht zertifizierte Dolmetscherin soll die Beziehung zu ihm geheim gehalten haben. Sie wurde vor rund zwei Wochen aus der hausinternen Dolmetscherliste des Landesgerichtes Salzburg gestrichen.

Jene Verteidiger, die am Vormittag mit den Gegenäußerungen an der Reihe waren, bezeichneten die Vorwürfe als haltlos und legten den Schwerpunkt ihrer Reden auf das Liebesverhältnis zwischen dem Kronzeugen und der Hauptdolmetscherin im Ermittlungsverfahren. "Alles, was sie übersetzt hat, ist mit Nichtigkeit bedroht", sagte Verteidiger Leopold Hirsch, der einen 49-jährigen Österreicher vertritt. "Das darf auch nicht als Beweisergebnis vorgehalten werden." Er beantragte die Neuübersetzung aller polizeilichen Vernehmungsprotokolle und Telefonüberwachungsprotokolle, die von der Dolmetscherin übersetzt wurden. Dass die Frau die intime Beziehung zu dieser "hinterfragenswürdigen Person" geheim gehalten habe, da müsse es ein Motiv geben, meinte Hirsch. Jedenfalls gelte für sie eine Befangenheit nach der Strafprozessordnung. Und seiner Ansicht nach lüge der Kronzeuge, "das ist ein Täter, der verleumdet, der ist nicht glaubwürdig".

Auch sein Kollege Kurt Jelinek, der vier Angeklagte vertritt, zeigte sich verärgert. Er kündigte eine Strafanzeige an. Es bestehe der Verdacht, dass die Dolmetscherin nicht alles übersetzt habe. "Wir als Verteidiger wissen nicht, was stimmt und was stimmt nicht. Die Frage ist auch, hat sie den Kronzeugen geschützt?" Die Frau habe kürzlich gegenüber der vorsitzenden Richterin erklärt, dass sie mit dem Kronzeugen mehrjährig und eng zusammengearbeitet habe, obwohl dieser erst im Juni 2020 in dem Akt auftauche. "Die Hälfte der Angeklagten sitzen nur wegen des Kronzeugen da. Ist er ein Informant der Polizei?", sagte Jelinek. Er gab wie Rechtsanwalt Hirsch zu bedenken, dass der Chefermittler in dieser Causa in einem anderen Verfahren wegen Amtsmissbrauchs belangt werde. Und gegen den Kronzeugen sei ebenfalls ein Strafverfahren anhängig, und zwar wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung.

Mega-Prozess in Salzburg

Ein weiterer Verteidiger sprach von fantasievollen Beschreibungen von Drogen-Liefervorgängen, die aus dem Drehbuch einer Netflix-Serie stammen könnten. Es gebe keine Beweise, es sei aber Aufgabe der Staatsanwaltschaft, an der Wahrheitsfindung mitzuwirken. Dass das Liebesverhältnis zwischen der Dolmetscherin und dem Kronzeugen heruntergespielt werde, sei ein Skandal, so der Verteidiger der 31-jährigen Viertangeklagten, welche die Tochter des 54-jährigen Erstangeklagten ist. Die Staatsanwältin hatte zuvor betont, dass die Richtigkeit der Übersetzung der Dolmetscherin nachprüfbar sei.

Der Verteidiger des Erstangeklagten betonte, es seien keine verbotene Substanzen beschlagnahmt worden, es gebe keine Transportunterlagen und es sei kein Geld gefunden worden. "Keiner der Angeklagten ist reich. Die meisten haben hohe Schulden." Er forderte einen Freispruch für seinen Mandanten.

Ins selbe Horn stießen die anderen Verteidiger, es war auch von Skandal und Unglaubwürdigkeit des Kronzeugen die Rede. Rechtsanwalt Kurt Jelinek kündigte eine Strafanzeige an. Es bestehe der Verdacht, dass die Dolmetscherin nicht alles und auch nicht richtig übersetzt habe. Die Staatsanwältin hatte zuvor betont, dass die Richtigkeit der Übersetzung nachprüfbar sei.

Prozess vertagt

Nach den Gegenäußerungen vertagte die vorsitzende Richterin des Schöffensenats den Prozess auf morgen, Mittwoch, zur Einvernahme der Angeklagten. Sie hat noch nicht bekannt gegeben, ob die Protokolle tatsächlich neu übersetzt werden. Das würde den Prozess deutlich verzögern. In dem rund drei Jahre dauernden Ermittlungsverfahren wurden allein rund 200.000 Telefonate abgehört, zu einem überwiegenden Teil in arabischer Sprache, die vorwiegend von der nun in die Kritik geratenen Dolmetscherin übersetzt wurden.

Bilder: freepik.com

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